About the history of smoking

Kulturgeschichtliche Aspekte des Zigarettenrauchens im 20. Jahrhundert

Obwohl die Geschichte der Zigarette aber auch jene des Rauchens in Europa viel jünger ist als die seit Jahrtausenden bekannte Tradition des Alkoholgebrauches, hat der Konsum dieses Genußmittels unsere Gesellschaft und Kultur in sehr vielen Bereichen auf vielfältige Weise geprägt. Sie bestimmte die neue Zeit der industriellen Revolution mit und prägte sogar jene Zeiteinheit, welche für das schnelle, hektische Leben von Heute steht: die „Zigarettenlänge“.
Mit dem Zigarettenrauchen sind daher viele kulturhistorische Phänomene verbunden, in welchen die Zigarette und ihr Konsum die europäische Kultur der letzten hundert Jahre mitgestaltet hat bzw. Zeitgeistströmungen der Kultur widerspiegelt(e).

Die Zigarette und der Krieg
Die Verbreitung und Bedeutung des Rauchens bzw. der Zigarette ist eng verbunden mit kriegerischen Ereignissen. Der Krimkrieg (1853-56) führt zum Bekanntwerden der Zigarette in Mitteleuropa. Bereits hier und in allen folgenden Kriegen ist die Versorgung der Soldaten mit Zigaretten und die Ausgabe einer Extraration Tabak bzw. Zigaretten am Vorabend der Schlacht ein wichtiger Teil der Stärkung der Moral. Im Ersten Weltkrieg erweist sich die Zigarette zur Kriegsführung weit besser geeignet als die bedächtige Zigarre. Da es aber durch Kriege stets zu einem Rohstoffmangel kommt, findet sich die Zigarette in diesen Notzeiten - wie andere „Grundnahrungsmittel“ auf Punktekarten wieder und bekommt also solche einen eigenen hohen Tausch- und Marktwert. In Kriegs- bzw. Nachkriegszeiten wird sie sogar zu einer Art Ersatzwährung.

Globalisierung und Monopolisierung
Ist Globalisierung ein Schlagwort der heutigen modernen Wirtschaft, so ist eine weltumspannende Verbreitung gewisser Zigarettenprodukte und -produzenten bereits am Anfang des Jahrhunderts erfolgt. Es kommt damals, vor allem in den USA, zu jenen riesigen Trustentwicklungen, welche sich heute in vielen Wirtschaftszweigen zeigen. Zum anderen gibt es vor allem in Europa eine lange Geschichte des Tabakmonopols, welches sich auf Produktion und/oder Verkauf beziehen kann. Bereits im 17. Jahrhundert wandelt man erfolglose Tabakkonsumverbote in staatliche Verkaufsmonopole um und betrachtet fortan die Sucht des Volkes als gefällige Einnahmequelle. Heute ist die Zeit staatliche Monopole in Europa beinahe zu Ende. Es kommt zu Privatisierungen (z.B. ATW) bzw. Konzentrationen (wie etwa der jüngste Zusammenschluß der französischen SEITA und der spanischen Tabacalera S.A. zeigt). Vor allem in den ehemaligen Ostblockländern und GUS-Staaten profitieren große westliche Konzerne als „global players“ von den veränderten politischen Bedingungen, was zur beinahe völligen Auflösung des früheren landesüblichen Markensortiments führt bzw. zu einer Anpassung der Rauchgewohnheiten an den westlichen Trend. Diese rasante Entwicklung und die an den Verpackungsdesigns ablesbaren Veränderungen lassen sich exemplarisch am Beispiel China ablesen. Weiters von Bedeutung ist die Etablierung eines Markenbewußtseins bei Rauchern, wobei vor allem „Marlboro“ eindeutiger Markenleader und Teil eines riesigen gemischten Konzerns ist, zu dem auch Produkte von Suchard oder Jakobs gehören.

Das Zigarettenrauchen und seine Bedeutung für die verschiedenen sozialen Klassen
Ist das Rauchen in seinen Anfängen ein Bereich, der den höheren Klassen vorbehalten ist, so ändert sich dies erstmals durch die Revolution des Jahres 1848, wo das Rauchen von Zigarren von den Bürgern als revolutionäre Gestik eingesetzt wird. Auch die Zigarette ist zuerst der Oberschicht vorbehalten, welche sich in einer edlen Tabakauswahl und speziellen Luxusausführungen, etwa durch Filter mit Echt-Gold-Verzierungen und teuren Verpackungen zeigt. Dabei entwickeln sich eigene kostbare Accessoires zu Statussymbolen, wie etwa das Zigarettenetui. Erst später findet die maschinell und damit billig hergestellte Zigarette vor allem in den unteren Bevölkerungsschichten große Verbreitung. Und noch heute gibt es eine eindeutig feststellbare Unterteilung, welche von Luxuszigarettenmarken bis hin zu sogenannten „Arbeitertschiks“ reicht.

Die Frau und das Rauchen
Neben dem Tabubruch bei den sozialen Klassen ist das Zigarettenrauchen durch die Frau Ausdruck veränderter gesellschaftlicher Bedingungen bzw. ein bewußter Bruch mit Normen. Schon Mitte des 19. Jh. wird das öffentliche Zigarettenrauchen durch George Sand und Lola Montez als Zeichen der Emanzipation eingesetzt. Anfang des Jahrhunderts etabliert sich die Zigarette als modisches Beiwerk, sodaß ein Zeitgenosse bemerkt: „Die Damen führen ihre Payrosse an jenen zierlichen Goldreifenhalter, der einem Miniaturlorgnon gleicht und den Teint der Finger gegen das Patinieren durch Nikotin schützt.“ Die Zigarette selbst wird als „holde Orientalin“ bezeichnet und auf Zigarettenpackungen oft durch Frauendarstellungen betont. Sie gilt als zart, schlank und zerbrechlich im Gegensatz zur „männlichen“ Zigarre. Nicht nur die Orienttabake waren Grund für die zu dieer Zeit vorherrschenden orientalistischen Markennamen (z.B. Memphis, Nil) und Designs, auch wird damit auf erotische Wünsche und Haremsvorstellungen angespielt. Bis heute ist die graphische Darstellung von Frauen auf Zigarettenpackungen und in der Werbung noch diesen traditionellen Rollenklischees verhaftet. Vor allem in letzter Zeit und hier in den raucherfeindlichen USA wird die Verbindung Frau und Zigarette wieder verstärkt als tabubrechende, erotische Komponente eingesetzt.

Propaganda und Werbung
Die Zigarettenmarkt ist einer der faszinierendsten Märkte, da seine Werbestrategien bereits seit sehr langer Zeit auf die Erzeugung eines unverwechselbaren Images aufbauen. Zigaretten stehen in erster Linie nicht für die Eigenschaften des Produktes, sondern für ein gewisses Image, für einen bestimmten Lifestyle. Diesem Trend entsprechend werden bei Zigarettensorten nicht mehr vorrangig neue Produkte auf den Markt gebracht, sondern es wird die Palette eines Produktes erweitert, um mit einem eingeführten Namen neue Raucherschichten anzusprechen. Bereits in der Ersten Republik gibt es durch die Österreichische Tabakregie einen immensen Werbeaufwand, welcher vielfältige Aktionen umfaßt. Heutzutage finden sich die Symbole der Zigarettenmarken auf unzähligen Utensilien, vom Aschenbecher bis zum Sonnenschirm. Zum anderen dienen Zigarettenpackungen als Werbeflächen für andere Produkte, etwa im Rahmen von Messen oder Weltausstellungen. Da jedoch weltweit immer mehr Werbeverbote gegen Zigarettenprodukte aufgestellt werden, entwickelt man neuerdings Werbelinien, welche das Corporated Design in anderen "erlaubten" Sparten einsetzen, etwa als „West Cafe“, „Camel Boots“, Parfums etc.
Zu unterscheiden von der Werbung für die Zigarette ist die Werbung bzw. Propaganda durch die Zigarette. Die Politik erkennt die Zigarettenpackung bereits früh als geeignetes Vehikel, um ihre politischen Botschaften unters Volk zu bringen. Im Nationalsozialismus bedient man sich dem bereits vorher gebräuchlichen Element des Sammelbildchens in den Zigarettenpackungen, samt dazugehörenden Sammelalbum, etwa mit dem eindeutigen Titel: „Adolf Hitler und sein Weg zu Großdeutschland. Ein geschichtliches Sammelwerk“. Englische Markennamen hingegen, wie „Pearl“, „Johnny“, „Smart“ oder „Jam“ werden hingegen als undeutsch verboten. In der jüngeren Vergangenheit finden sich ebenfalls viele Indizien für politische Agitation über Verpackungsdesigns, etwa auf chinesischen Zigarettenpackungen der Kulturrevolution oder in den ehemaligen kommunistischen Staaten Osteuropas. Der Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens bzw. das Verstärken nationaler Identitäten drückt sich in eigenen Zigarettenmarken aus. Die kroatische „Ban“ ziert das Denkmal der Symbolfigur für die kroatische Unabhängigkeit, die bosnische „Bosna“ beschwört in Versform die bosnische Einheit und die serbische „Srbija“ ist dominiert vom serbischen Wappen.

Lebenslust und Genuss versus Tod, Abhängigkeit, Sucht und Allgemeingefährdung
Gibt es seit Einführung des Tabaks immer wieder erfolglose Versuche des Verbotes seines Gebrauches, so ist gerade in den letzten Jahren die Diskussion darum wieder stark angestiegen. Vor allem in den USA tobt ein regelrechter Krieg zwischen RaucherInnen und NichtraucherInnen. Die Fronten sind eindeutig. Hier die allgemeingefährdenden, süchtigen RaucherInnen, dort die puritanischen, lustfeindlichen NichtraucherInnen. Rauchverbote werden von Rauchern dann in der Hitze des Gefechtes sogar mit Nazipropaganda verglichen, welche u.a. beim 4. Internationalen Tabakgegnerkongress das Nikotin zum „Rassengift“ erklärt hatte. Da beim Zigarettenrauchen , wie auch bei anderen Genußmitteln, Genuß und Gesundheitsgefährdung sich gegenüberstehen, versucht die Zigarettenindustrie, dem vermehrten Gesundheitsbewußtsein Rechnung zu tragen. Mit der Einführung der sogenannten „Light“-Zigarette hatte die Tabakindustrie wiederum eine Trendsetterrolle eingenommen. Was hier begonnen hat, ist inzwischen zum Inbegriff eines gesundheitsbewußteren Konsumverhalten geworden. Bei den Zigaretten gibt es inzwischen bereits eine große Bandbreite, von „Extra Light“ über „Super Light“ und „Ultra Light“ bis zur „Ultima“ (allerdings wurden in der Europäischen Union und vielen anderen Ländern inzwischen Bezeichnungen wie "Light" oder "Mild" verboten). Daneben gibt es bereits rauchfreie Zigaretten, um auch die Gefährdung für Passivraucher zu unterbinden. Da die Kosten für Opfer des aktiven und passiven Zigarettenrauchens einen enormen finanziellen Kostenanteil am öffentlichen Gesundheitssystem haben, versuchen Staaten den Spagat zwischen Zigarettenproduzenten und monopolisierten „Dealer“ sowie zugleich verbietende Instanz. Dazu zählen Werbeverbote, Warnhinweise auf Zigarettenpackungen sowie Beschränkungen der Höchstwerte für Nikotin und Teergehalt. Die Widerstände dagegen, etwa im Motorsport und hier vor allem in der Formel I, zeigen den enormen Einfluß der Zigarettenindustrie.

Die Zigarette als fixer Bestandteil der Kultur des 20. Jahrhunderts
Die Zigarette ist, trotz oder gerade wegen ihrer suchtmachenden Wirkung, fixer Bestandteil unserer Volkskultur und tief verwurzelt im alltäglichen Bewußtsein, Verhalten und Denken. Es gibt eine Vielzahl von Situationen, welche mit der Zigarette gekoppelt sind: die Zigarette danach, der letzte Zigarette des zum Tode Verurteilten, die Zigarette zum Kaffee, die Streßzigarette, die Zigarette beim Fortgehen, usw. Die Zigarette ist zum Inbegriff der industriellen Kultur geworden und unterscheidet sich sehr von der „Noblesse“ der Zigarre oder der Bedächtigkeit der Pfeife. Bereits früh gibt es mit der Trafik auch ein eigenes Kommunikationszentrum und bereits 1880 betont ein Wiener Feuilletonist die Bedeutung der Trafik als Nachrichtenbörse und Kontaktstelle. Die Idee der Trafik geht bereits auf Joseph II. zurück, und bereits damals sind Kriegsinvalide oder Soldatenwitwen als Betreiber vorgesehen. Heute noch ist die Trafik in vielen Ländern sowohl Kommunikationszentrum, als auch Nahversorger.